Die Arbeit des Aufsichtsrats in Zeiten der Transformation
Die aktuellen Disruptions- und Transformationsprozesse und die sozioökonomische Volatilität bedeuten auch für Aufsichtsräte wesentliche Veränderungen. Implementierte Abläufe und Prozesse, die definierten Aufgaben des Aufsichtsrats als auch die aktuelle deutsche Corporate Governance Struktur werden aufgrund der Veränderungen in der wirtschaftlichen, technologischen und politischen Landschaft in einem noch nie dagewesenen Ausmaß hinterfragt. Die Transformation hat zu einem breiten öffentlichen Diskurs darüber geführt, wie Aufsichtsräte in Zukunft agieren sollten, um ihre Tätigkeit vor dem Hintergrund der Herausforderungen von heute und morgen möglichst effektiv erfüllen können. Die Aufsichtsratsarbeit hat sich daher – auch angesichts der verstärkten öffentlichen Aufmerksamkeit – bereits rasant weiterentwickelt. Der heterogene Diskurs zum „Board of the Future“ zeigt jedoch den Wunsch und die Notwenigkeit weiterer Veränderungen.
ECBE Governance Perspectives: Zielsetzung und Vorgehensweise
In unseren aktuellen Governance Perspectives 2023 haben wir uns die zentrale Frage gestellt: Wie muss sich die Aufsichtsratsarbeit weiterentwickeln, um zukünftige Anforderungen und Erwartungen zu erfüllen, die wir heute an den Aufsichtsrat stellen?
Dafür hat ECBE In Kooperation mit der Universität Göttingen qualitative und quantitative Daten aus diversen Informationsquellen analysiert und zusammengetragen:
In persönlichen Gesprächen mit ausgewählten Aufsichtsrats- und Ausschussvorsitzenden deutscher börsennotierter Unternehmen wurden formulierte Thesen zur Rolle und Arbeitsweise des Aufsichtsrats diskutiert und hinterfragt.
Anhand der Erfassung öffentlich verfügbarer Daten von Aufsichtsräten durch ECBE und der Reviews wissenschaftlicher Studien wurden die mit den Aufsichtrats- und Ausschussvorsitzenden diskutierten Thesen mit empirischen Erkenntnissen gespiegelt.
Die Ergebnisse wurden mit den Erfahrungswerten von ECBE aus durchgeführten Evaluierungen bzw. Selbstbeurteilungen von Aufsichtsräten zusätzlich eingeordnet.
Unsere Ergebnisse zeigen: die Aufsichtsräte sind auf einem guten Weg – und sollten dabei die in der Studie dargelegten Themen weiter umsetzen.
ROLLENVERSTÄNDNIS
Der Aufsichtsrat wird intensiver seiner Rolle als Ratgeber und Sparringspartner des Vorstands nachgehen. Viele Aufsichtsratsmitglieder wünschen sich eine stärkere Einbindung in strategische Themen und in den Strategieentwicklungsprozess. Demnach solle der Vorstand vermehrt auf die Expertisen und Best Practice Einordnungen durch die Aufsichtsratsmitglieder zurückgreifen.
KOMPETENZPROFIL & TEAMING
Der Aufsichtsrat wird mehr Zeit, Gedanken und Engagement in die Erstellung der Kandidatenprofile investieren und von einer reaktiven zu einer strategischen langfristigen Nachfolgeplanung übergehen. Neben der fachlichen Expertise werden die persönlichen Charaktereigenschaften der Neubesetzungen entscheidend sein.
AGILE ARBEITSWEISE
Der Aufsichtsrat wird durch eine agilere Arbeitsweise und eine diversifizierte Informationsversorgung schneller auf Änderungen und Vorkommnisse im Unternehmen reagieren können. Die Interaktion der Mitglieder zwischen den Sitzungen, die Einbeziehung externer Expert:innen und die Einrichtung von Ad-hoc-Ausschüssen werden zukünftig eine entscheidende Rolle spielen.
ENGAGEMENT & COMMITMENT
Das zeitliche Engagement der Aufsichtsratsmitglieder wird aufgrund der gestiegenen Aufgabenvielfalt und der (regulatorischen) Anforderungen weiter zunehmen. Dafür müsse die Aufsichtsratsvergütung an die Erwartungen, die an Aufsichtsräte gestellt werden, angepasst werden. Die Amtszeiten der Aufsichtsratsmitglieder werden in Zukunft zunehmend individueller, um eine ständige Erneuerung und einen regelmäßigen Perspektivwechsel zu ermöglichen (Staggered Boards).